Frühmittelalter
B.Päffgen / M. Guckenbiehl
Mitte des 5. Jahrhunderts beginnt in der ehemaligen römischen Provinz Raetien das frühe Mittelalter. Klimatisch herrschte eine Kaltphase, eine Verwaltung ist fast nicht mehr vorhanden und die Kaiser haben Ihre Macht an die obersten Militärbefehlshaber verloren. Die sog. Völkerwanderung hatte 375 mit Auftauchen der Hunnen in den Steppen des Schwarzen Meeres begonnen und dauerte noch immer an. 451-452 fielen die Hunnen in Gallien und in Italien ein. Die Kriege waren ein Misserfolg, ihr Anführer Attila starb 453 und das „Hunnenreich“ zerfiel. Diese Ereignisse und die Absetzung des letzten weströmischen Kaisers 473 stellen die Wende von der Spätantike zum frühen Mittelalter dar.
Die hier noch ansässige Bevölkerung setzt sich aus einheimischen Romanen und zugewanderten Germanen zusammen.
Ende des 5. Jh. übernimmt der Ostgotenkönig Theoderich die Herrschaft über Italien, damit auch über die Provinz Raetia Secunda, also unser Gebiet. Um 536 tritt der Ostgote Witigis die nordalpinen Gebiete an die Frankenkönige ab. Die neuen Herrscher errichten eine neue Verwaltungseinheit (Dukat) östlich des Lechs. Zur Verwaltung werden die Agilolfinger eingesetzt. Deren erster namentlich bekannter Herrscher ist um 555 dux Garibald.
Viele Ansiedlungen, die bis heute das Landschaftsbild prägen, entstanden im frühen Mittelalter, vor allem solche deren Name bis heute auf „-ing“ enden. Sprachforscher sind zu dem Ergebnis gekommen, dass sie fast alle auf bajuwarische Gründungen hindeuten. Archäologisch sind bajuwarische Siedlungen des 5. und 7. Jh. nur sehr schwer fassbar, da sie oft im Bereich der heutigen Siedlungen liegen. Ihr Nachweis gelingt häufig nur indirekt über ihre außerhalb der damaligen Orte gelegenen Gräberfelder mit häufig mehreren Hundert Bestattungen. Da diese meist in Reihen angelegt sind, werden sie Reihengräberfelder genannt.
Bei Schöngeising stieß man beim Kiesabbau mehrfach auf Gräber. 1961 wurden 34 Bestattungen bei einer Notgrabung dokumentiert, darunter eine Dreifachbestattung. Die ursprüngliche Größe des Gräberfeldes bleibt unklar. Östlich von Emmering sind zwischen 1990 und 2003 589 Bestattungen eines Reihengräberfeldes ausgegraben und über 1500 Fundstücke geborgen worden. Die ältesten wurden im 5. Jh. angelegt.
Vergoldete Zikadenfibeln mit Almandinverzierungen aus dem Emmeringer Gräberfeld, 5. Jh.
Foto: Anna Ulrike Bergheim
Goldohrringe mit Amethysten, 2. Hälfte 7. Jh.
Foto: Marcus Guckenbiehl
In Germering sind zwei Gräberfelder bekannt. Ein Reihengräberfeld an der Krippfeldstraße ist mit vermuteten 800-1000 Bestattungen wohl noch größer als der Friedhof in Emmering. 2015 wurden an der Steinbergstraße 17 weitere, großteils stark gestörte Gräber entdeckt. Ein ungestörtes Frauengrab enthielt seltene goldene Bommelohrringe mit Amethysten aus der 2. Hälfte des 7. Jh.
47 Gräber eines größeren Gräberfeldes des 6. bis 7. Jh. wurden 1998 auf dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck untersucht. Aus den stark gestörten Gräbern stammt eine silberne Riemenzunge mit Runeninschrift auf der Rückseite.
Riemenzunge im heutigen Zustand. Daneben Versuch einer Rekonstruktion und mögliche Lesarten der Inschrift.
Zeichnungen: Alexa Bauer
In Puchheim kamen 1963 bei der Notgrabung im Bereich einer villa rustica 27 merowingerzeitliche Bestattungen zu Tage. Diese Nähe von Gräberfeldern des 6./7. Jh. und älteren römerzeitlichen Siedlungsplätzen ist in Bayern öfter zu beobachten.
Ab Mitte des 7. Jh verlieren die Reihengräberfelder offenbar ihre Bedeutung. Sogenannte Hofgrablegen, kleine familiäre Grabgruppen auf den Hofflächen, entwickeln sich. Der Adel legt eigene Bestattungsplätze an.
Eine Ausnahme sind drei Gräber der Merowingerzeit, die in einem hallstattzeitlichen Grabhügel bei Gernlinden gefunden wurden. Ganz bewusst wurde dieser prominente Bestattungsort wiederverwendet. Bedeutsam ist ein 1997 in Jesenwang entdecktes Hügelgrab. Der wohl dem Ortsadel angehörige Mann wurde um 700 mit Langsax, Lanze, Schild und Sporen bestattet. Die reiche Ausstattung ist in dieser Zeit ungewöhnlich.
Bestattung aus dem Jesenwanger Hügelgrab.
Foto: Anna Ulrike Bergheim
Ab dem 8./9. Jh. bestattete man die Toten üblicherweise bei den Ortskirchen. Da die Sitte, den Toten Beigaben mitzugeben, aufhörte, ist eine Datierung dieser Gräber nur noch an Hand von 14 C-Datierungen möglich. Dabei wird organisches Material, in der Regel aus Knochen, auf radioaktive Abbauprodukte untersucht, die einen Schluss darauf zulassen, wie lange der Verstorbene schon tot ist. Dabei werden jedoch für mittelalterliche Bestattungen nur Genauigkeiten von +- 200 Jahre erzielt.
Eine Ausnahme bildet das 1966 neben St. Peter und Paul in Purk-Langwied entdeckte Frauengrab des 9./10. Jh. mit den für diese Zeit typischen halbmondförmigen Ohrringen aus Bronze und einer Rechteckfibel mit ausgezogenen Enden, beides mit Emailverzierung.
Siedlungen des 7. bis 8. Jh. wurden in den alten Ortskernen von Germering und Unterpfaffenhofen nachgewiesen.
Schaftdornpfeilspitze des 10. Jh.
Foto: Marcus Guckenbiehl
In Germering wurde am ehemaligen Heerweg eine eiserne Schaftdornpfeilspitze gefunden. Ob diese mit den Ungarneinfällen des 10. Jhs. in Verbindung steht, bleibt unklar, da entsprechende Befestigungsanlagen fehlen.