Mathias Kneißl

Mathias Kneißl, ein Kleinkrimineller der kurz vor 1900 die Gemüter im Brucker und Dachauer Land erhitzte, der von Teilen der lokalen Bevölkerung und der Presse zum zweiten „Bayerischen Hias“ hochstilisiert und von anderen, vornehmlich der Staatsgewalt, zum gemeingefährlichen Verbrecher herabgewürdigt wurde, beschäftigt auch heute noch die Menschen in unserer Region. Und sei es nur, weil es in Maisach das „Kneißl-Bier“ gibt. Der Kneißl-Keller der Brauerei Maisach wurde nun umgestaltet, konnte aber corona-bedingt noch nicht wieder eröffnet werden. Die dort neu angebrachten Tafeln haben wir mit Genehmigung der Brauerei zu einer kurzen Lebensgeschichte Kneißls zusammengefasst.

 

Weitere Informationen finden Sie hier:

Textwerkstatt Fürstenfeldbruck

http://textwerkstatt-ffb.de/2020/05/mathias-kneissl-zum-145-geburtstag/

 

Der neue Kneißl-Radweg durch das Brucker Land ist ebenfalls fertig und zeigt ihnen den nordwestlichen Teil unseres Landkreises.
https://räuber-kneissl-radweg.de

 

Ausstellungskatalog Jexhof  „Im Wald da sind die Räuber“

Drexler, Toni / Reinhard Jakob (Hg.): Im Wald da sind die Räuber … Kneißl, Hiasl & Co. Räuberromantik und Realität, Fürstenfeldbruck 3. Auflage 2006
Online bestellbar unter: https://www.jexhof.de/index.php?id=151

 

Das 2008 erschienene, leider nur noch antiquarisch erhältliche Buch von

Martin A.Klaus
„Der Fall Mathias Kneissl“
ISBN 9783866156951 (ISBN-10: 3866156952)
Verlag: Süddt. Zeitung GmbH

 

Fundstück in der Digitalen Schriftenkunde des Bayerischen Staatsarchivs. Hier wird eine Seite eines Doppelbogens gezeigt, auf dem ein Schriftwechsel des königlichen Bezirksamts Dachau unter anderem mit der königlichen Gendarmeriestation Odelzhausen dokumentiert ist. Er entstammt einem Akt des Bezirksamts mit dem Betreff: „Sicherheitsgefährdende Vorgänge in der Schachermühle“.

https://www.gda.bayern.de/DigitaleSchriftkunde/1893_StAM_LRA_35069_03.html

 

 

Mathias Kneißl (12.5.1875 – 21.2.1902)


Mathias Kneißl 1901 in der Chirurgischen Klinik

 

1875 – 1886 Familienbande
Mathias Kneißl wächst in Unterweikertshofen, Gemeinde Erdweg im Landkreis Dachau, auf. 
Sein Vater Mathias sen. ist Müller und Schreiner. Er stammt aus einer angesehenen Mesnerfamilie in Randelsried. 
Seine Mutter Therese Pascolini hat italienische Wurzeln. Ihr Großvater war als Kramer aus der Lombardei zugewandert. Thereses Bruder Johann war als Räuber ums Leben gekommen. Die Pascolinis führen in Unterweikertshofen ein Wirtshaus, das Therese und Mathias sen. nach ihrer Hochzeit übernehmen. Bald gibt es Vorbehalte gegen den „Pascoliniwirt“. Er gilt als Umschlagsplatz für Wilderer und Hehler, weshalb ihn die Einheimischen zunehmend meiden.

 


Pascoliniwirt, Unterweikertshofen

Therese Kneißl ist eine begeisterte Schützin, schon früh lernen Mathias und sein Bruder Alois das Schießen. Der Lehrer kritisiert die Erziehungsmethoden der Kneißls und bezeichnete Mathias als „Zuchthauspflanze“. Er empfiehlt seine Einweisung in eine Besserungsanstalt, 
denn: „… vielleicht gelänge es noch, ihn zu retten.“

1886 – 1892 Räubernest
1886 ziehen die Kneißls in die Schachenmühle bei Sulzemoos, südlich von Erdweg. Hier können sie unbeobachtet leben, da die Mühle abseits liegt. 
Der Pfarrer nennt die Kneißl-Kinder abfällig „Pascolinis“ und urteilt hart über sie.

 


Hans Huber-Sulzemoos, Skizze Schachenmühle

1892 wird die Wallfahrtskirche Herrgottsruh bei Friedberg ausgeraubt. Schnell geraten die Kneißls unter Verdacht. Vor den Gendarmen flüchtend verletzt sich Mathias sen. so schwer, dass er auf dem Weg ins Dachauer Gefängnis stirbt. Wenig später wird auch Therese Kneißl verhaftet.
Die Kneißl-Kinder sind nun ohne Aufsicht in der Schachenmühle. Alois macht mit der Pistole des Vaters die Gegend unsicher. Die überforderte Schwester bittet die Gendarmen um Hilfe. 
Als sie kommen, um ihn festzunehmen, schießt Alois auf sie.Mathias flieht mit seinem Bruder und zwei weiteren Komplizen. Die können kurz darauf gestellt werden; Mathias finden die Gendarmen erst zwei Wochen später – mit seinem Akkordeon im Rucksack.

1893 ‑ 1899 Einsperren – Ausbrechen
Mathias wird zu über fünf Jahren Haft verurteilt ‑ dabei hatte Alois vor Gericht die Unschuld seines Bruders beteuert.
Mit 23 Jahren wird er entlassen, gesundheitlich zerrüttet. Zunächst kommt er bei seiner Mutter und den Schwestern unter, die inzwischen in München leben und arbeiten. Wieder gesund muss er die Stadt verlassen, denn München entzieht dem „Zuchthäusler“ die Aufenthaltserlaubnis.

 


Gefängnis Amberg, Spazierhof

Im Amberger Gefängnis hatte er eine Schreinerlehre gemacht, schließlich findet er in einer Schreinerei in Nussdorf Arbeit. Er träumt von einem Neuanfang in Amerika und will Geld für die geplante Auswanderung verdienen.
Schreinermeister Christoph schätzt Kneißls Fleiß und Geschick. Doch schon nach sieben Monaten muss er ihn wieder entlassen, da seine Vergangenheit als „Zuchthäusler“ bekannt geworden war. Nun machen sich Vorurteile und Misstrauen gegen ihn breit und nirgendwo findet er noch für längere Zeit Arbeit.

1900 – 1901 Räuber und Gendarm
Kneißls Situation ist aussichtslos. Da taucht sein Cousin Eduard Holzleitner auf. Er überredet Mathias zu einem Einbruch bei einem reichen Bauern. Sie erbeuten Pfandbriefe im Wert von 2500 Mark. „Lass doch dem Hütbub seine Sachen!“, beschwichtigt Kneißl, als Holzleitner auch diesen ausrauben will.
In Oberschweinbach wollen sie die Pfandbriefe verkaufen, werden dabei aber als Räuber enttarnt und müssen fliehen. Holzleitner wird gefasst und verrät Kneißl. 400 Mark Belohnung werden auf ihn ausgesetzt ‑ ein Oberknecht verdiente damals um die 150 Mark im Jahr.
Kneißl versteckt sich in seiner alten Heimat. Während die Gendarmen zu Fuß unterwegs sind, hat er an mehreren Stellen im Wald Fahrräder versteckt. Viele Leute decken ihn, meist bewundernd, teils verängstigt. Sogar im Odlfass soll er von einem Hof geschmuggelt worden sein. Die Bevölkerung sei „kneißlerisch“ gestimmt, klagt die Gendarmerie über ihre geringe Unterstützung.

1900 – 1901 Schießereien
Kneißls Schicksal entscheidet sich am 30. November 1900: Da sucht er bei Michael Rieger in Irchenbrunn bei Altomünster Unterschlupf. Der aber schickt heimlich nach den Gendarmen. Um fliehen zu können, schießt Kneißl dem Kommandanten der Gendarmerie ins Bein, sein Begleiter wird von einem Querschläger getroffen. Beide sterben an den Folgen ihrer Verletzungen. Das Kopfgeld auf Kneißl wird auf 1000 Mark erhöht, mobile Gendarmeriestationen gebildet, verdeckte Ermittler eingesetzt ‑ die Kneißlsuche gerät zur Menschenjagd. 
Die Presse berichtet voll Hohn von den Misserfolgen der Polizei.


Märkl-Anwesen, Geisenhofen

Erst der Verrat einer Cousine führt auf Kneißls Spur. Er hält sich auf einem Hof in Geisenhofen bei Maisach auf. Etwa 150 Schutzleute und Gendarmen werden zusammengezogen. Am 5. März 1901 beschießen sie den Stadl mit ca. 1500 Schüssen, danach stürmen sie das Wohnhaus. 21 Schüsse werden auf Kneißl abgefeuert – er ist unbewaffnet. 
Schwerst verletzt wird er in München notoperiert.

1901 – 1902 Zuag’richt – herg’richt – hing’richt
In der Klinik bekommt Kneißl zahlreich Blumen und Post, auch Heiratsanträge von Verehrerinnen sind dabei. Nach gut fünf Monaten ist er wieder soweit gesund,
dass in Augsburg der Prozess gegen ihn beginnen kann.


Kneißl in der Chirurgischen Klinik

Der Staatsanwalt schildert Kneißl als menschliche Bestie und argumentiert gegenüber den Geschworenen: „Kneißl muss aus der menschlichen Gesellschaft ausgemerzt werden“. Mathias beteuert, dass er die Gendarmen nicht töten wollte, aber er kann die Geschworenen nicht von sich überzeugen. Als sie ihn zum Tode verurteilen, sprechen seine Mutter und andere aufgebracht von Justizmord. Mehrere Gnadengesuche werden beim Prinzregenten eingereicht, doch unter Einfluss von Justizminister Leonrod lehnt er sie ab.
Am 21. Februar 1902 wird Kneißl mit der Guillotine enthauptet. Therese Kneißl kauft seinen Leichnam von der Anatomie frei und lässt ihren Sohn auf dem Augsburger Friedhof beisetzen.
Elisabeth Lang

 

Beitragsbild: Das beschossene Auermacheranwesen bei Egenhofen kurz nach der Festnahme von Kneißl, 1901, gemeinfrei

 

Der Historische Verein weist darauf hin, dass für den Inhalt der einzelnen Artikel ausschließlich die jeweiligen Autorinnen und Autoren verantwortlich sind. Die Meinungen zu einzelnen Büchern entsprechen nicht unbedingt den Ansichten des Vereins.

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